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Neue Bestimmungen im Erbrecht per 1. Januar 2023
Was ändert sich?

Per 1. Januar 2023 tritt ein Teil der neuen Erbrechtsbestimmungen in Kraft. Im Zentrum stehen die Reduktion der Pflichtteile und die damit einhergehende Erhöhung der Verfügungsfreiheit der Erblasser:in. Die Erhöhung der «frei verfügbaren Quote» bringt automatisch auch Erleichterungen bei der Unternehmensnachfolgeplanung durch Erbgang oder Erbvorbezug mit sich, da der Erblasserin/dem Erblasser mit der Erbrechtsrevision mehr Entscheidungsautonomie eingeräumt wird.

Nachfolgend wird auf die wichtigsten Neuerungen eingegangen. In jedem Fall sollten bereits bestehende Nachlassdokumente im Hinblick auf die neuen Gesetzesbestimmungen überprüft und allenfalls angepasst werden.

Welches sind die wichtigsten Neuerungen?

a) Reduktion der Pflichtteile

Die gesetzlichen Erbanteile sowie die Erbberechtigung werden mit der Revision nicht geändert. Der Nachlass wird somit, sofern keine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) besteht, genau gleich aufgeteilt wie dies heute bereits der Fall ist. Es wird jedoch durch die Reduktion der Pflichtteile die Verfügungsfreiheit der Erblasserin/des Erblassers erhöht.

Der Kreis der pflichtteilsgeschützten Erben wird im geltenden Recht durch Art. 470 ZGB festgelegt. Anspruch auf einen Mindestanteil am Erbe haben Nachkommen, Ehegatten bzw. eingetragene Partner und, sofern keine Nachkommen vorhanden sind, auch die Eltern des Erblassers. Mit der Gesetzesrevision wird der Pflichtteil der Nachkommen von drei Viertel auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs gesenkt und der Pflichtteil der Eltern fällt ganz weg. Gleich bleibt hingegen der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bzw. des überlebenden eingetragenen Partners, welcher bereits heute die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs beträgt.

b) Erhöhung der verfügbaren Quote bei der Nutzniessung

Haben Erblasser:innen gemeinsame Nachkommen, kann gemäss geltendem Recht dem überlebenden Ehegatten die Nutzniessung am gesamten an die gemeinsamen Nachkommen fallenden Nachlass eingeräumt werden. Eingetragene Partner können seit dem 1. Januar 2018 das Kind ihres eingetragenen Partners adoptieren (sog. Stiefkindadoption), womit sie ebenfalls gemeinsame Nachkommen haben können und ihnen dadurch die Möglichkeit der Einräumung der Nutzniessung ebenfalls offensteht. Die bei der Zuweisung der Nutzniessung bestehende verfügbare Quote wird den reduzierten Pflichtteilen angepasst. Diese verfügbare Quote beträgt neu die Hälfte statt eines Viertels des Nachlasses. Die Nutzniessung soll es dem überlebenden Ehegatten ermöglichen, den bisherigen Lebensstandard beizubehalten. Dies erfolgt, indem der überlebende Ehegatte für die frei verfügbare Quote von neu der Hälfte als Erbe eingesetzt und ihm an der anderen Hälfte des Nachlasses die Nutzniessung eingeräumt wird.

c) Wegfall des Pflichtteils für den überlebenden Ehegatten im Scheidungsverfahren bzw. für den überlebenden eingetragenen Partner im Auflösungsverfahren

Gemäss dem geltenden Recht fällt der Pflichtteilsschutz des überlebenden Ehegatten erst mit der formell rechtskräftigen Scheidung bzw. des überlebenden eingetragenen Partners mit der formell rechtskräftigen Auflösung dahin.

Das neue Recht sieht nun vor, dass der überlebende Ehegatte bzw. der überlebende eingetragene Partner seinen Pflichtteilsanspruch verliert, wenn beim Tod ein Scheidungsverfahren bzw. ein Auflösungsverfahren hängig ist, d.h. dieses durch ein gemeinsames Scheidungsbegehren bzw. gemeinsames Auflösungsbegehren oder nach zweijährigem Getrenntleben bzw. bei eingetragener Partnerschaft nach einjährigem Getrenntleben durch Klage eingeleitet worden ist. Auch hier gilt es zu beachten, dass der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten bzw. des überlebenden eingetragenen Partners weiterhin bestehen bleibt, sofern ihm dieser nicht testamentarisch entzogen wird. Diese Regelung gilt auch für die Begünstigungen aus einem Testament, einem Ehevertrag oder aus einem Vermögensvertrag. Unter Vorbehalt einer abweichenden Anordnung sind solche Begünstigungen hinfällig, wenn im Todeszeitpunkt ein Scheidungs- oder Auflösungsverfahren hängig ist, welches bei Vorliegen der obgenannten Voraussetzungen zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs führt. Sind solche Regelungen gewünscht, empfiehlt sich der Beizug einer Fachperson.

d) Schenkungsverbot bei Erbverträgen

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann gemäss geltendem Recht eine lebzeitige Zuwendung des Erblassers, welche gegen einen früheren Erbvertrag verstösst, von den Vertragsparteien des Erbvertrags nur angefochten werden, wenn die Zuwendung erfolgte, um den oder die Vertragspartner des Erbvertrags absichtlich zu schädigen.

Gemäss neuem Recht können lebzeitige Zuwendungen des Erblassers/der Erblasserin, die mit dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, ohne den Nachweis einer Schädigungsabsicht angefochten werden. Um eine mögliche Anfechtung der lebzeitigen Zuwendung zu verhindern, muss die Schenkungsfreiheit des Erblassers/der Erblasserin neu im Erbvertrag explizit vorbehalten werden.

Was bedeutet dies für bestehende oder zukünftige Testamente und Erbverträge?

Die Erbrechtsrevision tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Bestehende Testamente oder Erbverträge bleiben auch nach Inkrafttreten des neuen Erbrechts gültig. Sofern die Erblasserin/der Erblasser nach Inkrafttreten des neuen Pflichtteilsrechts verstirbt, gelten für die vorbestehenden Testamente und Erbverträge grundsätzlich die neuen reduzierten Pflichtteile, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt diese errichtet wurden.

Wurde in einem Testament jedoch explizit eine prozentuale Erbquote zugewiesen, gilt diese auch nach dem 1. Januar 2023. Dies ist bei den mit dem Erbplaner von LegacyNotes erstellten Testamenten der Fall. Sofern die Erblasserin/der Erblasser somit die reduzierten Pflichtteile in seinem Testament berücksichtigen möchte, ist es zu empfehlen, ein neues Testament zu verfassen. Ab dem 1. Januar 2023 wird auch der LegacyNotes Erbplaner das neue Pflichtteilsrecht berücksichtigen.

Wann muss ein bestehendes Testament oder ein bestehender Erbvertrag angepasst werden?

Stirbt die Erblasserin/der Erblasser nach Inkrafttreten der neuen erbrechtlichen Bestimmungen, gelten für ihre/seine Testamente oder Erbverträge die neuen reduzierten Pflichtteile. Werden Nachkommen z.B. zugunsten des überlebenden Ehegatten bzw. des überlebenden eingetragenen Partners auf den Pflichtteil gesetzt, erhält der überlebende Ehegatte bzw. der überlebende eingetragene Partner drei Viertel (75%) statt wie bisher fünf Achtel (62.5%) des Nachlasses.

Erachtet die Erblasserin/der Erblasser jedoch die aktuell geltenden Pflichtteile als angemessen, muss dies eindeutig aus dem Testament oder Erbvertrag hervorgehen. Dies ist bei einem mit dem Erbplaner von LegacyNotes erstellten Testament der Fall, da dort jeweils die prozentuale Erbquote pro Person angegeben wird. Sofern die Erblasserin/der Erblasser somit die reduzierten Pflichtteile in seinem Testament berücksichtigen möchte, ist es zu empfehlen, ein neues Testament zu verfassen. Ab dem 1. Januar 2023 wird auch der LegacyNotes Erbplaner das neue Pflichtteilsrecht berücksichtigen.

Auch im umgekehrten Fall, in welchem die Erblasserin/der Erblasser die Anwendung der neuen, reduzierten Pflichtteile will, dies jedoch dem bestehenden Testament oder Erbvertrag nicht eindeutig entnommen werden kann, können Probleme auftreten. Der Inhalt dieser Dokumente bestimmt sich nämlich nach wie vor nach dem Willen der Erblasserin/des Erblassers bzw. der Vertragsparteien im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bzw. Erbvertrags. Lassen bestimmte Formulierungen in einem Testament oder Erbvertrag darauf schliessen, dass die Erblasserin/der Erblasser unter revidiertem Recht anders verfügt hätte, besteht die Gefahr, dass die Erben dies anfechten und diese Bestimmungen nach dem Tod der Erblasserin/des Erblasser anders ausgelegt und bewertet werden, als ursprünglich gewünscht. Ob die Bestimmungen in einem Testament oder Erbvertrag unklar sind, ist im Einzelfall zu beurteilen und kann nach dem Tod der Erblasserin/des Erblasser zu langen Gerichtsverfahren führen.

Um dies zu verhindern ist es wichtig, bestehende Testamente und Erbverträge auf das neue Recht hin zu überprüfen und sofern notwendig anzupassen bzw. zu präzisieren.

Zudem ist insbesondere zu beachten, dass gemäss neuem Recht lebzeitige Zuwendungen, welche gegen einen bestehenden Erbvertrag verstossen, anfechtbar sind. Möchten die Vertragsparteien eines Erbvertrages zu Lebzeiten über ihr Vermögen frei verfügen können bzw. Personen oder Organisationen zu Lebzeiten begünstigen, haben sie dies im Erbvertrag vorzusehen. Tun sie dies nicht, können die übrigen Vertragsparteien des Erbvertrages allfällige Zuwendungen anfechten.

Es ist somit zu empfehlen, dass Personen, welche bereits Testamente oder Erbverträge errichtet haben, diese im Hinblick auf das Inkrafttreten der neuen Erbrechtsbestimmungen per 1. Januar 2023 überprüfen oder ihre Nachlassplanung aufgrund der anstehenden Erhöhung der Verfügungsfreiheit überdenken. Bei Unklarheiten ist der Beizug einer Fachperson empfehlenswert.

© LegacyNotes GmbH 2022

Zum Autor

Christoph Peterer
Co-Founder, lic. iur. HSG, Rechtsanwalt und öffentlicher Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht

Christoph Peterer ist als zugelassener Rechtsanwalt und öffentlicher Notar bei LegacyNotes für die Bereiche Legal und Finance zuständig. Er beschäftigt sich vorwiegend mit Wirtschaftsrecht, Erbrecht und Nachlassplanung. Nach der Berufsausbildung zum Drogisten und dem Absolvieren der berufsbegleitenden Wirtschaftsmaturität studierte Christoph Rechtswissenschaften an der Universität St.Gallen (HSG) mit Vertiefung Unternehmens- und Finanzrecht (lic. iur. HSG). Daraufhin erlangte er die Zulassung als Rechtsanwalt und öffentlicher Notar. Nach Absolvieren der Fachanwaltsausbildung wurde ihm vom Schweizerischen Anwaltsverband SAV der Titel Fachanwalt SAV Erbrecht verliehen. Er ist eingetragen im Anwalts- und Notarenregister des Kantons St.Gallen und Mitglied des St.Galler sowie des Schweizerischen Anwaltsverbandes. Zudem ist er Mitglied des Schweizer Notarenverbandes.

Christoph Peterer, Co-Founder, Recht und Finanzen
Christoph Peterer, Co-Founder, Recht und Finanzen

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